In der letzten Ausgabe haben wir Euch ein Interview mit David Tibet versprochen. Hier nun die Ergebnisse eines zwischen Currywurst und Malzbier gemeisterten Small Talks.
Gift: David, wie entstehen die Texte, die Du schreibst?
David: Ich verbringe nicht viel Zeit damit, über ein gewisses Thema
nachzudenken oder Strophen auswendig zu lernen.
Bei Horse z.B. saß ich in einer Bar in Tokio und hatte mich gerade
fürchterlich betrunken, als ich anfing über eine ehemalige Freundin
nachzudenken, die dem Heroin verfallen war (engl. Horse = Heroin). Ich
schrieb einfach alles auf, was mir durch den Kopf ging.
Genauso war's bei dem Stück A Song For Douglas P., When He is Dead. Ich
grübelte darüber nach, was wäre, wenn Douglas auf einmal
sterben würde und ich wurde sehr, sehr traurig. All diese Gefühle
schrieb ich einfach auf.
Welche Bedeutung haben Symbole wie Noddies, so eine Art Schlümpfe und Swastikas, Hakenkreuze?
Nun, ich werde sehr leicht von irgendwelchen Sachen besessen, so auch von
Noddy. Ich hatte irgendwann die Vision von einem gekreuzigten Noddy am
Himmel, und am nächsten tag zog ich los, um alles über Noddy zu
kaufen, was ich finden konnte. Ich habe eine richtige Sammlung mit
Noddy-Teeservice und Noddy-Gardinen etc. Es ist nicht wirklich ein Witz, da
ich Noddy und sowieso Kindergeschichten sehr gerne mag.
Swastikas. Ich mag Swastikas, sie sind ein buddhistisches
Glückszeichen. Ich weiß, daß gerade hier in Deutschland
viele glauben, daß ich ein Faschist bin. Das soll mir scheißegal
sein. Ich habe Benefizplatten für tibetanische Flüchtlinge und
gegen Tierversuche gemacht. Wenn dann noch irgendjemand glauben möchte,
daß ich ein Faschist bin, bitte, mir ist das egal. Wir hatten dieses
Zeichen zweitausend Jahre, bevor Hitler es mißbrauchte.
Stört Dich das, daß einige Leute glauben, daß Du ein Faschist sein könntest?
Mir ist das wirklich egal. Das schöne an Swastikas ist, daß sie provokante Zeichen geworden sind. Deswegen war Swastikas For Noddy so eine geniale, verwirrende Idee. Politik interessiert mich nicht - ich hasse Linke sowie Rechte, ich bin Buddhist und unterteile Menschen nicht nach politischen Ansichten, sondern gebe mich einfach mit denen ab, die ich sympathisch finde.
Du schreibst angeblich gerade ein Buch. Ist das Thema geheim?
Wenn ich meine vielen Projekte der nächsten Zeit abgeschlossen habe (3 LPs von Current, eine Kooperation mit Steven Stapleton von Nurse With Wound und eine Zusammenarbeit mit HÖH), soll das Buch herauskommen. Es enthält viele meiner apokalyptischen Visionen und einige übersetzte tibetanische Volkslieder.
Es gibt erstaunlich viele Werke von Current. Normal für andere Gruppen ist eine LP pro Jahr. Woher nimmst Du die vielen Inspirationen?
Ich überlege niemals lange. Sobald ich eine Idee im Kopf habe, rufe ich Douglas an, da ich keine Musik schreiben kann, und summe ihm die Melodie vor. Dann bitte ich ihn oder jemand anderen, sofort zu kommen und die Musik mit mir festzuhalten. Schreiben tue ich immer. Ich trage immer ein Notizbuch bei mir, wo ich sämtliche Gedanken aufschreibe. Dies geschieht alles sehr schnell und spontan, so daß unsere Platten sehr unfertig klingen, und vielleicht wäre [hier fehlt eine Zeile -- Pri] seln und die Stücke mehr auszuarbeiten.
Eine langweilige Frage! Was ist die Verbindung zwischen Current 93 - David Tibet - und Aleister Crowley?
Heute gibt es keine mehr. Als ich 1983 nach London kam, wollte ich Mitglied des Ordo Templi Orientalis werden. Immerhin beschäftige ich mich mit Crowley seit ich zehn Jahre alt war. Auch Freunde von mir sind Anhänger von Crowley wie Hilmar aus Island, der mehrere Bilder und einen Zauberstab besitzt. Das war die Zeit wo ich mit Genesis P. Orridge zusammenarbeitete.
Was hälst Du von ihm?
Ich mag ihn sehr gerne. Zwar habe ich ihn wegen seines Temple Of Psychick Youth verlassen, da ich nicht mit seinen Methoden übereinstimme, aber er ist ein lieber Kerl. Er hält nicht mehr von Publicity als ich und genießt die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit wie ich. Ich brauche diese Schlagzeilen in der Yellow Press nicht. Ich mag sowieso keine Tanzmusik, kein Acid-House, kein Hip Hop.
Was hälst Du von Deinem Publikum? Was für ein Publikum würdest Du Dir wünschen?
Naja, es sind viele Gothics und solche Leute da, wenn wir hier in Deutschland spielen. Hauptsächlich Individualisten...
Du spielst immer wieder mit den gleichen Leuten von verschiedenen Bands. Wollt Ihr eine Isolation auf dem Musikmarkt vermeiden, oder seid Ihr nur Freunde?
Eigentlich sind wir alle gute Freunde. Das ist eben so wenn man aus der
gleichen Ecke kommt - man lernt sich kennen, mögen und hält
zusammen. Mal arbeite ich mit Douglas P. von Death In June, mal mit Steven
von NWW oder mit Hilmar.
Bevor ich nach London ging hatte ich einige Lieblingsbands wie Crisis, Crash,
Nurse With Wound und Throbbing Gristle. ich hatte das Glück mit allen
im Laufe der Jahre zusammenarbeiten zu können - und ich tue es immer
noch...
Anmerkung der Redaktion: Wir möchten festhalten, daß das umgedrehte Kreuz (Current Bericht Heft Zero) nicht Tibets Meinung entspricht.
Inga und ein Freund